Die Zukunft des Spielzeugmarkts

Der angekündigte Rückzug von myToys hinterlässt eine riesige Lücke für Spielzeughersteller und -händler. Ob und wenn ja, welche der großen Marktplätze in Deutschland in diese Lücke drängen, wird die zweite Jahreshälfte zeigen. Fakt ist: Die Herausforderungen für Hersteller und Händler nehmen zu.
Die plötzliche Ankündigung der Otto-Gruppe im März, die Spielzeug-Plattform myToys noch im laufenden Jahr einzustellen, stellt eine Zäsur für den Spielzeugmarkt dar. Denn damit verliert der deutsche Markt seine bis dato einzige auf Spielwaren spezialisierte Handelsplattform. Otto schließt die Plattform aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Entwicklung, will die Marke myToys allerdings fortführen. Wie das konkret aussehen soll und welche Strategie Otto verfolgt, ist allerdings nach wie vor unklar.

Wer bekommt wie viel vom myToys-Kuchen?

myToys war die einzige Plattform, die sich komplett auf Spielzeug spezialisiert hat. Wenn man sich jedoch die umsatzstärksten Online-Shops im Spielzeugsegment anschaut, führen die beiden Marktplätze Amazon (mit großem Abstand) und otto.de den Markt an. Im Gesamtüberblick ist myToys lediglich der drittstärkste Player. Mit der Plattform limango.de behält der Markt einen Spezialisten mit Familien-Fokus mit relevanten Marktanteilen. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die Marktanteile nach dem Wegfall von myToys entwickeln. Quelle

Dabei drängen nicht nur große Plattformen wie Kaufland und Otto selbst in die entstehende Lücke des Marktsegments, sondern auch Lidl und Netto versuchen als Wholesaler Fuß zu fassen. Dass ein Anbieter die Lücke von myToys 1:1 füllen und als reine Spielzeugplattform am deutschen Markt in Erscheinung treten wird, ist nahezu ausgeschlossen. Vielmehr wird der myToys-Kuchen auf andere, bereits am Markt etablierte Player aufgeteilt werden. Die Frage wird nur sein, welche das zu welchem Anteil sind.

myToys-Entscheidung führt zu Unsicherheiten

Die strategische Entscheidung von Otto, die eigenständige Marke myToys einzustellen und in die Otto-Plattform zu integrieren, hat innerhalb und außerhalb des Konzerns Wellen geschlagen. Gerüchten zufolge hat es vor allem im Otto-Wholesale für hohe Unsicherheit gesorgt, die bis heute anhält. Denn Otto bleibt nach wie vor vage, wie die Integration von myToys aussehen soll. Vor allem hat das Unternehmen zwar einen Sozialplan für die rund 800 myToys-Mitarbeitenden angekündigt, deren Ausarbeitung jedoch scheint sich in die Länge zu ziehen – und damit auch die Klarheit für die Betroffenen, ob und wenn ja für wie viele von ihnen es in der neuen Struktur noch Platz gibt. Mit ersten Konsequenzen: Die Otto Group hat bereits viele Power-Mitarbeiter – und mit ihnen ihre Kompetenz – verloren und es ist davon auszugehen, dass auch noch weitere Mitarbeiter den Konzern verlassen werden.
Auch die Hersteller und Händler sind ob der unklaren Ausrichtung von Otto verunsichert. Viele fürchten Einschränkungen bei der Vermarktung ihrer Produkte und tun sich schwer, in der aktuell unklaren Marktlage, Entscheidungen zu treffen und sich selbst zu positionieren. Vor allem solche, die neben Platzhirsch Amazon ausschließlich oder zumindest vorrangig über myToys vertrieben haben, sind jetzt natürlich unter Zugzwang, neue Absatzmöglichkeiten zu finden.

Was der Wegfall von myToys für Hersteller und Händler bedeutet

Der Spielzeugmarkt ist ein enorm wettbewerbsintensives und margenschwaches Segment. Vor diesem Hintergrund stehen Spielzeughersteller und -händler vor der Herausforderung, ihr Sortiment profitabel zu halten. Um langfristig erfolgreich zu sein, müssen sie die Wertschöpfungskette dominieren und kontrollieren. Die vertikale Dominanz von Lieferanten und Lieferketten über Kundenbindung und CLVs bis hin zu App-Usern wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Dabei spielen vor allem zwei Aspekte eine zentrale Rolle:
  1. Brand Building und Brand Awareness: Die Zielgruppen im Spielzeugsegment bilden sich durch Alters- und Modeeinflüsse alle drei bis vier Jahre neu. Wer am Markt langfristig bestehen will, muss daher möglichst alle Altersgruppen – vom Kind selbst über die Eltern bis hin zu den Großeltern – erreichen. Denn nur so kann es gelingen, Bewusstsein und Begeisterung von Generation zu Generation zu übertragen (Lego-Effekt).
  2. Eine möglichst einfache Partnerlösung: Die überaus geringen Margen erfordern effiziente und – wo möglich – automatisierte Prozesse. Moderne Lösungen verringern den Ressourcenaufwand bei Herstellern und Händlern deutlich und minimieren gleichzeitig die Fehlerquote.

Ausblick: Bis Weihnachten wissen wir mehr

Auch wenn es seit der Ankündigung im März nach außen hin etwas ruhiger um das myToys-Thema geworden ist: Man erkennt bereits, dass Otto bei der Abwicklung der Marke auf die Tube drückt. Kein Wunder: Noch scheint Weihnachten weit weg. Doch spätestens im November geht die umsatzstärkste – und damit für den Handel wichtigste – Zeit des Jahres los. Otto ist gut beraten, die neue Struktur bis dahin weitestgehend auf den Weg gebracht zu haben. Und auch alle anderen Player müssen und werden sich bis dahin positionieren, um sich möglichst viel des Kuchens zu sichern – und so eine bestmögliche Grundlage für ihre zukünftige Marktposition zu legen. Für Händler ist die Lage gleichzeitig die größte Herausforderung, aber auch die größte Chance. Denn die Disruption schafft eine kurzzeitige Lücke, in der sie sich platzieren und festigen können, bevor der Markt sich neu sortiert hat.